Aus der Geschichte

Seit frühen Zeiten bildete das Presbyterium der Domkirche den engeren Mitarbeiterstab des Bischofs, gleichsam seinen Senat. Mit diesem feierte er die Liturgie und beriet wichtige Angelegenheiten in der Leitung der Diözese.

Die Wurzeln des Paderborner Domkapitels reichen in die Anfänge des Bistums zurück. Die zunächst aus Fulda kommenden Missionare dürften bereits im Jahre 777, als Karl der Große an den Paderquellen eine Missionssynode abhielt, an der damals bestehenden, dem Erlöser (Salvator) geweihten Kirche – dem Vorläufer des heutigen Domes – eine Klerikergemeinschaft gebildet haben. Nachdem im Jahre 780 dem Bischof von Würzburg die Mission anvertraut worden war, dürften die Missionare vorwiegend in seinem Sprengel ihre Wurzeln gehabt haben oder an seiner Domschule ausgebildet worden sein. Beim Zusammentreffen des aus Rom vertriebenen Papstes Leo III. mit dem Frankenkönig Karl im Jahre 799 in Paderborn sprechen die Quellen von „Chören von Priestern“, die den Papst beim Einzug in die Kirche „von wundersamer Größe“ begrüßten. Bei diesem Treffen dotierten Papst und König auch das Domkloster. In diesem lebten die Kleriker wie in einer Mönchsgemeinschaft zusammen (vita communis); Bischof Badurad führte die 816 auf der Synode zu Aachen beschlossene Kanonikerregel ein. Zu den Aufgaben des Domkapitels gehörte von Beginn an die Feier der hl. Messe (Kapitelsamt) sowie des Stundengebetes im Dom, zudem die Seelsorge in der Domfreiheit. Im Jahre 885 erhielt das Domkapitel vom König das Recht der freien Wahl des Bischofs aus eigenen Reihen.

Mitte des 10. Jhs. gehörten zur Klerikergemeinschaft des Domklosters gut 65 Kleriker (25 Priester, 8 Diakone, 8 Subdiakone, 25 niedere Kleriker). Über die Struktur dieser Gemeinschaft liegen für deren Frühzeit keine Nachrichten vor, doch können die grundlegenden Ämter eines Vorstehers und eines Ökonomen sicher angenommen werden. In der ersten Hälfte des 11. Jhs. begegnen erstmals die Bezeichnungen Propst und Dekan für die Vorsteher.

Im Hochmittelalter änderten sich die Lebens- und Rechtsverhältnisse tiefgreifend. Seit 1223 galt die hochadelige Abstammung als Aufnahmebedingung für das Domkapitel, doch konnte der Mangel an dieser ständischen Abstammung ausnahmsweise durch einen theologischen Doktorgrad ersetzt werden (so fanden bis in das 14. Jh. vereinzelt Nichtadelige Aufnahme). Das Selbstergänzungsrecht des Kapitels erfuhr zunehmend eine Einschränkung durch päpstliche Amtsübertragungen, die zunächst vereinzelt, seit dem 14. Jh. häufiger geschahen. Seit dem 13. Jh. wuchs der Einfluss des Domkapitels in der Leitung des Fürstbistums beträchtlich: So hatten die Dignitäre des Domkapitels fünf der sechs Archidiakonate des Bistums inne (das sechste war das des Abtes des Klosters Abdinghof); als Archidiakone waren sie in ihren Sprengeln Aufsichtsorgane für das religiös-sittliche Leben der Geistlichen und der Gläubigen und bestimmten zudem als vornehmester Landstand wesentlich die politischen Verhältnisse mit.

Im 13. Jh. ging jedoch die vita communis der Domkapitulare verloren; seither führte jeder Domherr in den in der Domfreiheit gelegenen Kurien einen eigenen Haushalt. Damals bestand das Domkapitel aus 24 Domherren sowie 6 Knabenkanonikaten. Für die Feier der Liturgie im Dom wurden zunächst vier, später acht Benefizien für Domvikare gestiftet, die stellvertretend für die Domherren die vita communis hielten.
Das Bistum verdankte seinen Bestand wiederholt dem energischen Eintreten des Domkapitels für die Rechte der Paderborner Kirche. Mit der Bischofswahl des Dompropstes Dietrich von Fürstenberg (1585-1618) sicherte es nach der Reformation im Hochstift das katholische Bekenntnis.

Nach der Säkularisierung des Fürstbistums Paderborn im Jahre 1802 durch Preußen blieb das Domkapitel zunächst bestehen und wurde erst unter französischer Herrschaft im Dezember 1810 aufgehoben. Die Domkapitulare blieben jedoch zumeist am Dom wohnen und verrichteten weiter ihre liturgischen Dienste. Das letzte Mitglied des alten Kapitels starb im Jahre 1851.

Literatur:
Hans Jürgen Brandt, Karl Hengst: Geschichte des Erzbistums Paderborn
Bd. 1 Mittelalter, Paderborn 2002, 149-155
Bd. 3 Industriezeitalter, Paderborn 1997, 154-160